… das Murmeln des Seienden …

„Im Jahr 1928, als der Stummfilm seinen Höhepunkt erreichte, stellte Dard eine neue Sensibilität bei jungen Menschen fest, die regelmäßig Lichtspielhäuser besuchten. Er beschrieb sie in Worten, die trotz ihrer Übertriebenheit alle Merkmale einer Erfahrung erster Hand an sich tragen: „Man hat tatsächlich in Frankreich noch nie eine Sensibilität wie diese beobachtet: passiv, persönlich, so wenig humanistisch oder humanitär wie nur möglich; zerstreut, unorganisiert, und ihrer selbst so unbewusst wie eine Amöbe; ohne Gegenstand, oder besser, sich allen [Gegenständen] anheftend wie Nebel, sie durchdringend wie Regen; schwer zu ertragen, leicht zu befriedigen, unmöglich zu zügeln; überall, wie ein aufgescheuchter Traum, jener Grübelei verfallen, von der Dostojewski spricht und die ständig aufspeichert, ohne irgendetwas von sich zu geben.“ Gelingt es dem Zuschauer jemals, die Dinge, über die er meditiert, auszuschöpfen? Seine Wanderungen nehmen kein Ende. Manchmal freilich mag es ihm so scheinen, as ob er, nachdem er tausend Möglichkeiten ausprobiert hat, unter Anspannung all seiner Sinne ein undeutliches Murmeln hörte. Bilder beginnen zu tönen und die Töne werden wieder zu Bildern. Wenn dieses unbestimmbare Murmeln – das Murmeln des Seienden – zu ihm dringt, dann mag er dem unerreichbaren Ziel am nächsten gekommen sein.“

Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Vom Verfasser revidierte Übersetzung von Friedrich Walter und Ruth Zellschan.

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