Arbeitsfrühstück der Diktatoren – Über den künstlerlischen Avantgardismus

Präsident Arnulio Manuel Rosa: Meine Herren, Sie müssen zugeben, dass Autofahren in unseren Ländern Kunst ist! Ich meine damit, es ist absichtlich. Kunst ist, wenn etwas Unnötiges absichtlich gemacht wird. Z.B. bei uns ist es doch so, wir warten absichtlich bis die Busse überfüllt sind, wählen die engsten, gefährlichsten Strecken, versichern uns, dass die Reifen dünn sind, drücken dem Fahrer, nachdem wir ihn ermahnt haben, die Straße zu verschlingen, eine Flasche Tequila in die Hand, wünschen gute Fahrt und warten auf die Rezensionen.

General Wessin y Wessin, verächtlich: Das ist ja alles außerordentlich avantgardistisch.

Oberst Jesus Schneider: Ich muss zugeben, bei dieser Kunst braucht man keine Zensur mehr.

Stillschweigen.

General Wessin y Wessin: Also, ich vertrete da einen reaktionären Standpunkt. Ich bin offenbar der einzige Reaktionär hier. Was die Kunst angeht, so hat sie hauptsächlich mit menschlichen Gefühlen zu tun. Von diesen gibt es insgesamt zwei: Trauer und Glück. Ich habe daher, von einem ausländischen Staatsbesuch, bei dem mir von einer ausländischen Trachtengruppe vorgesungen wurde, zwei Lieder mit nach Hause gebraucht erhebt sich: Das Traurige fing an: >Wohin gehst du, kleines Mädchen, im Walde?< und das lustige lautete: >Jauchzende Gesellen, ich gehöre zu euch!<

Aus: Reinhard Lettau: Frühstücksgespräche in Miami

Ein Gedanke zu „Arbeitsfrühstück der Diktatoren – Über den künstlerlischen Avantgardismus“

  1. ERSTE ANKÜNDIGUNG EINER IDEE

    General Wessin y Wessin: Als ich sagte, ich hätte die Idee, dachte ich noch, ich könnte sie auch mitteilen, d.h. erst während der Meldung, dass ich die Idee hätte, begann ich zu spüren, dass die Idee so leicht mir von den Lippen nicht kommen möchte.

    Oberst Jesus Schneider: Sie brauchen also das Erlebnis, etwas sagen zu wollen, um zu erfahren, dass sie es nicht können?

    General Wessin y Wessin: Diese Darstelltung ist etwas vereinfacht. Gewissermaßen hatte ich, als ich sagte, ich hätte eine Idee, diese Idee erst, nachdem ich gesagt hatte, ich hätte sie.

    Präsident Arnulio Manuel Rosa: Unverschämtheit. (hält inne) Haben Sie nicht auch mal ein Gebäude errichten lassen und als es dastand, vergessen, für was?

    General Wessin y Wessin: Die Erinnerung an die Absicht des Gebäudes verloren wir schon nach dem ersten Spatenstich. Von da an war es reines Experiment.

    Vorsitzender: Utopische Zustände!

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