..den lippen GEWEIHt…

Anfangs, da war es ein Kribbeln. Wieder. Ja. Seitdem immer wieder, (nein, sagte ich, ich denke eigentlich sehr selten an dich, nur wenn dein Erbe mir aus den Lippen bricht, dann denk ich an dich, dann denk ich an dich.) Ein Druck, mir schien: Eine sehr kleine Herde im Dunkeln weiß nicht wohin, so flieht sie versuchsweise an Ort und Stelle, im Kreis. Prickeln. Erhöhter Druck. „Ich perforiere von innen mit der Bleistiftspitze“, sagte der irre Hirte.

Ein Gedanke zu „..den lippen GEWEIHt…“

  1. „Zum Ausgleich“, sagte der irre Hirte. Dann: Im Lippeninnenraum wurde alles Mögliche herum expediert. Es war ein irres Gewoge, hin- und her schoben sich Armeen, Mehrspänner, Katen auf Rollen, nein, Hütten auf Hühnerfüßen, dreh dich! So dreh dich doch, Hüttchen! Dreh dich und stell dich mit deiner Tür zu mir hin! Das Knäuel der Klerikalen war ein sehr gehemmter Tumult, Insignien fielen und die postsexuelle Marketenderin im Glaubenskrieg machte das Geschäft ihres Lebens. Obschon so aufgerollt warn alle ihre Poster. Die Soldaten nahmens gern, sie nahmen viel davon. Holla, die Gespanne! Das Holpern. Riemen rissen. Quacksalber meldeten Hilfsmittel an. Spuren wie von Pflügen gezogen, Widerstand. Wagenräder brachen. Achsen brachen. Nur die Pferde blieben beinah heil. Wuuiiihiiie! Im Lippeninnenraum wurde schließlich ein Wiehern mobilisiert und an die liebe Sonne gebracht. Jetzt sechzehnstimmig der Kanon der Sensiblen und Berückten: Kummt Hervor Als Ich Sah / Itz Uffgplatzte Reliquiar / Der Heiligen Teresia / Worinnen Drin Ihr Daumen War. Plong. Plong. Der dürre Daumen. Ernteschlacht. Ist eine Herpesfachfabrik. Alle Maschinen Dampf, Dampf. Apothekerin empfahl: „Intervalle vergrößern“. Apothekerin mundtot gemacht. Zschong, wong, blobber. War da, kam raus, als nachrückten aus der Bläschenfabrik unendliche Talente! Ah! Nun senkten übers Gelände sich Klänge, modulierten nach Moll, oh, abgeerntet lagen die Felder, ein Nebel hing über dem Krautwerk. Verrenkte Rüben. Und es schraffierte mir die Fresse. Besser gesagt: Sie ward mir schraffiert. Vielleicht war an der Tresse, äh Trense der Virus gewesen, die mir – wie stets – zwischen den Zähnen beim Lesen. Der Befehl hieß: Schneller gehen. Falschverstanden: Schneller gähnen. Ein Wägelchen folgte mir auf vier kippligen Rädern, die Räder knallblau bemalt, die Farbe doch rissig, sie bröckelte sehr. Der hinzu sich sputende Dichter sagte: „So laut sind hier die Servietten!“ Ha! Es waren die lauten Servietten! Es ist also ein spanisches Ding, ganz Spanien wär zu verklagen. Nein. Doch. Oder wurde der Virus entnommen versehentlich dem Mäulchen des Rehs, welches mit magischen Nüssen ich kürzlich versah, als es sich näherte, war es schrecklich unscheu, so unscheu (Tolltrauen), kam es zum Gatter, da stand ich mit offenem Herzen und Nüsse knackte ich ihm und mir, ich teilte beide, die Zunge des Rehs war sehr muskulös. Wir aßen im Garten. Vielleicht kam es von dort. Oho, oho, rief ich mir zu, denn Bläschen erhöhte sich. Es folgte Verschorfung! Wo war sie denn nun, die mundtote Apothekerin? Auf die Verschorfung wiederum folgte Ungeheuerliches. Hornwuchs. Ein Geweih mir. Oh, glaubt mir, ihr Leute. Hihihi, wie das juckte, wieherte ich. Geweih wuchs in atemberaubender Geschwindigkeit aus dem Herpes hervor – O Du Heilige Teresia, Tat Das Dein Dürrer Daumen? (So frugen polyphon die Sensiblen und Berückten, sie konnten es nicht fassen). Ich fasste ans Geweih, obwohl man das nicht durfte. Ja, ja, ein Geweih war mir gewachsen, womit ich alles runterriss. Warf. Schleuderte von den Regalen. Mokkatassen! Lieblingshunde! Eine Todesfalle für das Väsche-uffem-Büffee. Und wie wirr war mir mein Gleichgewicht. Ich musste in das Hohlkreuz gehn. Das Geweih wuchs weiter, es war schwer und wurde täglich schwerer. Doch die Lippe half mit, verkalkte, verknöcherte, dass es eine harte Freude war. Damit war das Geweih tief eingebunden, es lenkte sich selber in die Tiefe, schlug Wurzeln in meinem Kiefer. Gewöhnung setzte ein. Ich trug es bis auf Weiteres vor meinem Kopf. Ich gestehe, es war nicht sehr praktisch. Aber es war ein Geweih und die wenigsten Geweihe sind praktisch. Ich habe seither keinen geküsst. Des Bischofs Ring mir gereicht, markierte zu küssen ihn ich. Nicht mehr. „Wuzu du benutzu“, frug man mich in der Arena der bleiernen Frühe. Ich, wahrheitsgemäß: „Benutzu Beutegreifer-Abwehr.“ Aufs Neue bedrängte man mich: „Wuzu du benutzu zudem?“ Ich wieder: „Benutzu Imponieren.“ Mit dieser Antwort gab man sich stumm und zufrieden, man trollte sich rollend davon. Freilich aber war das Geweih nach wie vor aus Viren zusammengesetzt. Viren waren sein Grund und sein Wesen. Horr. Horr. Als ich die meisten Anpassungen erfolgreich bereits vollzogen, lockerte es sich. Mir wurde klar: Das Geweih lebte gezählte Tage. Nicht groß war ihre Zahl, doch kleiner wurde sie nicht. Wie sehr ich es auch schüttelte, es ließ nicht ab von mir. Im Spätherbst kamen Optiker, sie wollten Monokol draus schnitzen, trugen mich auf ihren flachen, gutgemachten Händen und in hellgrüner Schutztracht operierten das Geweih sie mir fort. Die Lippe wummerte dankbar. Im Kiefer schlossen sich Höhlen und Pfade, die waren nun sinnlos geworden. Doch vor der Marktreife-Monokel: Impfen. Dann erst ward das Monokel menschenmöglich. Wir wollten nicht Augen mit dolchartigen Blicken, wollten uns nicht mit Blicken verletzen. Es lohnte sich zuletzt noch die größte Bemühung. Denn man sah durch das meinem Geweih entschnitzte Monokol die Welt in knuspriger Anmut. Man sah sie vergehen. Who said so, wer sagt so? Tennyson said so, und er sagte es von seinen woods, das heißt, seinen Wäldern, und von seinen friends, das heißt, von seinen Freunden: „the friends decay, the friends decay and fall, some manage to do so with horrible grace.“ Horrible Grace. Die Freunde vergehen, die Freunde vergehen und fallen, doch manchen gelingt es, zu tun dies in schrecklicher Anmut. Mein Geweih. Anfangs wars nur ein Kribbeln.

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