… toujours l’amour …

„Hierauf begannen alle Adventisten Berlins, von der Nähe des Weltendes überzeugt, die ‚Prager Diele‘ häufig zu besuchen. Was ist Durow äußerlich? Ein Artist? Ein Tierpsychologe? Hier aber nahte, die Berechnungen der Komintern und die amerikanischen Anleihen außer acht lassend, das Weltende (zuguterletzt Schorle-Morle).

Wenn man sich daran erinnert, dass ‚Schorle-Morle‘ die deutsche Transformation des Generalstaats ‚Toujours l’amour‘ der Epoche der Napoleanischen Kriege ist, so wird ein derartiges Ende jedermann, selbst dem Maler Nathan Altmann annehmbar erscheinen. Doch nein, dieser wird dennoch sich nicht einverstanden erklären. Das Ende beunruhigte ihn überhaupt. Eschatologie ist ihm im tiefsten Grunde fremd. Er kaufte sich ein Motorrad und ließ sich mit ihm fotografieren. Doch zog er es vor, nicht darauf zu fahren. Ich glaube, dass das Motorrad sich durch eine unangenehme Stimme auszeichnete, während Altmann eine selten musikalische Natur ist. Lissitzky – der wäre darauf gefahren. Er hätte sich das Genick gebrochen, wäre aber gefahren. Wie sollte er auch anderes – Konstruktivisimus. Selbst im Café befasste er sich fortwährend mit Erfinden. (..) ‚Ein perfektes Paradox!‘

Diese treffende Definition ließe sich erweitern. Die Konstruktivisten ließen sich durch rein dekorative Locken verblenden, indes der Formalist Viktor Schklowski, das Café mit Tschechowchen Pausen, ja sogar mit Uhrenticken, ja sogar mit dem Rascheln eines sterbenden Obstgartens füllend, die ganze Seele, das ganze Innere, den ganzen verfluchten ‚Inhalt‘ aus sich herausblies: ‚Niemand liebt mich!‘

Das war selbstverständlich eine Metapher, den Schkowski wurde von vielen geliebt. Die Inhaberin der Familienpension, Frau Marzah, duldete demütig alles: den Formalismus, nächtliche Referate mit Debatten, selbst die Farbtube des Malers Tereschkowitsch und als letztes die Überliebe, etwas was vom Apostel Paulus kommt.“

Ehrenburg: Die russische Dichterkolonie im Café Prager Diele (1922-1923)

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