6 Gedanken zu „… DAS NARRATIV …“

  1. Wir sind lächerlich, aber aus guten Gründen, heißt es bei Musil. Gutgeheißene Gründe und ihre kaum noch handzuhabenden Wirkungen. Eine poetologische Frage? Das, was an den Fragmenten (einer Sprache der Liebe) emanzipativ war, ist, dass sie auch den falschen Affekt mit einer stilistischen Würde begabten. Die Würde von Hingabe, Verwerfungen, Verwirrungen, von der beharrlichen Leugnung des Realtätssinnigen, die Dialektik von Selbstlosigkeit und Selbstsucht, all das Leiden an dysfunktionalen und asymmetrischen Beziehungen – wurde mit guten Gründen ausgestattet. Aufscheint ein exaltierter, leidensbereiter, negativer Narzissmus, dem die gesellschaftlich anerkannten Lösungsmuster als unhaltbar und plump gelten müssen.

    Wir sprachen gestern abend in der guten Bar übrigens noch über die Verwerfungen im Verleger. Etwas zu machen, das keiner haben will, kann vielleicht noch die Würde des Unverkäuflichen, die Würde einer Liebe ohne Aussicht auf Erfüllung für sich in Anspruch nehmen. Doch sich anschicken, das nun wieder zu verkaufen, braucht einen sehr starken Charakter.

    Nun scheint mir, sind wir eingetreten in eine gesamtgesellschaftliche Phase negativen Narzissmus, der der Differenz und Freiheit des Anderen mit Unverständnis, Verzweiflung, Selbstentwertung oder hohlem Idealismus begegnet. Hier zeigt sich vielleicht, was an den Fragmenten (einer Sprache der Liebe) nicht mehr länger emanzipativ ist: Sie verweigern ein realistisches Verhältnis zum Anderen. Verwoert schrieb, dass es in der Liebe (wie auch in der Psychoanalyse und der Literatur) um den Wunsch nach einer guten Deutung gehe. Wobei der, die und das zu Deutende in seiner, in ihrer Eigengesetzlichkeit fortbestehen muss.

    Glück wäre dann: Eine Deutung, die ich annehmen kann. Es gilt: Den Anderen als Anderen nicht zu zerstören, sich aber auch seinerseits nicht auf Positionen zurückzuziehen, auf denen man zerstörbar ist.

    Die Leugnung der Realität, selbst dort, wo Liebe diese Negation mit Sinn auflädt, scheint nicht mehr länger emanzipativ. Die Qualität des Lebens muss sich nicht an seiner nicht enden wollenden Ruinierbarkeit erweisen, sei es durch Liebe, Finanzen, Krankheit… Man kann nicht alles haben. Will auch nicht alles haben. Alles zu wollen ist eine überkommene Täuschung. Vielmehr muss dem Anderen die Gelegenheit gegeben werden, mich so zu verändern, dass ich mich nicht wieder erkenne. Jenseits vom narzisstischen Gehabe der Eingemeindung des Anderen und marktförmigen, konsumistischen Affektlogiken.

    Ja, es stimmt, was Klaus Heinrich einmal sagte: Es braucht die Obsession, damit man überhaupt etwas klar sehen kann. Aber am Ende steht hier eben die Klarsicht. Vom Anderen werde ich mich nie erhalten, weil der Andere eben der Andere ist. Vielleicht sollte man die Gründe der eigenen Lächerlichkeit zuweilen doch einer Prüfung unterziehen, um zu schauen, ob es noch die guten sind. Und Ja sagen zu einer anderen, gelassenen Gleichung: Worin man lernt zu geben, was man nicht hat, um freudig das zu erhalten, was man nicht braucht, wie es Jan Verwoert nach Lacan in seinem Buch „Tell me what you want, what you really really want“ formuliert.

  2. „Wie angedonnert stand ich da und sah bleich und starräugig meiner lieben Messiade nach, die wie eine geschossene Ente auf dem Wasser fluderte und untersank.“

  3. Pythagoras hätte noch Quadrate angebracht, bei dem größten wäre vielleicht die Luft rausgegangen.

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